Laterale Diversifikation von Unternehmen

Einleitung

Laterale Diversifikation, auch horizontale Diversifikation genannt, ist eine Geschäftsstrategie, bei der Unternehmen neue Produkte oder Dienstleistungen anbieten, die nicht direkt mit ihren bisherigen Produkten oder Dienstleistungen in Verbindung stehen. Ziel dieser Strategie ist es, das Unternehmensportfolio zu erweitern, neue Märkte zu erschließen und das Risiko zu streuen. Dieser Aufsatz beleuchtet die theoretischen Grundlagen, verschiedene Formen, Vor- und Nachteile sowie praxisnahe Beispiele der lateralen Diversifikation.

Theoretische Grundlagen

Definition und Konzepte

Laterale Diversifikation bedeutet, dass ein Unternehmen seine Produktpalette erweitert, indem es Produkte oder Dienstleistungen anbietet, die nicht in direktem Zusammenhang mit seinem bisherigen Kerngeschäft stehen. Diese Strategie unterscheidet sich von der vertikalen Diversifikation, bei der Unternehmen in vorgelagerte oder nachgelagerte Bereiche ihrer Wertschöpfungskette investieren.

Theoretische Ansätze

Ansoff-Matrix

Die Ansoff-Matrix, entwickelt von Igor Ansoff, ist ein strategisches Planungswerkzeug, das Unternehmen hilft, Wachstumsstrategien zu identifizieren. Die Matrix besteht aus vier Quadranten: Marktdurchdringung, Marktentwicklung, Produktentwicklung und Diversifikation. Laterale Diversifikation fällt in den Diversifikations-Quadranten und ist die risikoreichste Strategie, da sie das Unternehmen in unbekannte Märkte und Technologien führt.

Ressourcenbasierte Theorie

Die ressourcenbasierte Theorie von Jay Barney und anderen besagt, dass Unternehmen Wettbewerbsvorteile erlangen, indem sie ihre einzigartigen Ressourcen und Fähigkeiten nutzen. Bei der lateralen Diversifikation nutzen Unternehmen ihre vorhandenen Ressourcen, um in neue Märkte einzutreten und neue Produkte zu entwickeln, die nicht direkt mit ihrem Kerngeschäft zusammenhängen.

Formen der lateralen Diversifikation

Neue Produkte oder Dienstleistungen

Ein Unternehmen kann neue Produkte oder Dienstleistungen entwickeln, die nicht direkt mit den bestehenden Angeboten verbunden sind. Ein klassisches Beispiel ist ein Automobilhersteller, der in die Herstellung von Haushaltsgeräten einsteigt.

Neue Märkte

Ein weiteres Beispiel für laterale Diversifikation ist der Eintritt in neue geografische Märkte oder Kundensegmente, die bisher nicht bedient wurden. Dies kann durch die Anpassung bestehender Produkte oder die Entwicklung völlig neuer Angebote geschehen.

Übernahmen und Fusionen

Unternehmen können auch durch Übernahmen oder Fusionen diversifizieren, indem sie Unternehmen aus völlig anderen Branchen erwerben. Diese Strategie ermöglicht es, schnell in neue Märkte einzutreten und von vorhandenen Strukturen und Know-how zu profitieren.

Vorteile der lateralen Diversifikation

Risikostreuung

Durch die Diversifikation in unterschiedliche Branchen und Märkte können Unternehmen ihr Risiko streuen. Ein Rückgang in einem Bereich kann durch Erfolge in einem anderen Bereich ausgeglichen werden, was die Gesamtstabilität des Unternehmens erhöht.

Wachstumsmöglichkeiten

Laterale Diversifikation eröffnet neue Wachstumsmöglichkeiten, da Unternehmen neue Märkte erschließen und neue Kunden gewinnen können. Dies kann zu einer Steigerung des Umsatzes und des Marktanteils führen.

Nutzung bestehender Ressourcen

Unternehmen können ihre vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten nutzen, um in neue Märkte einzutreten. Dies kann zu Kosteneinsparungen und Effizienzgewinnen führen, da vorhandene Kapazitäten optimal genutzt werden.

Wettbewerbsvorteile

Durch die Erweiterung des Produktportfolios und den Eintritt in neue Märkte können Unternehmen Wettbewerbsvorteile erzielen. Sie können sich von ihren Konkurrenten abheben und neue Einnahmequellen erschließen.

Nachteile der lateralen Diversifikation

Hohe Investitionskosten

Der Eintritt in neue Märkte oder die Entwicklung neuer Produkte erfordert erhebliche Investitionen. Dies kann finanzielle Ressourcen binden und das Risiko erhöhen, insbesondere wenn die neuen Vorhaben nicht den erwarteten Erfolg bringen.

Managementkomplexität

Die Verwaltung eines diversifizierten Unternehmens ist komplex und stellt hohe Anforderungen an das Management. Unterschiedliche Geschäftsbereiche müssen koordiniert und effizient verwaltet werden, was spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert.

Unbekannte Märkte

Laterale Diversifikation führt Unternehmen in unbekannte Märkte und Branchen. Dies erhöht das Risiko, da das Unternehmen möglicherweise nicht über das notwendige Wissen und die Erfahrung verfügt, um in diesen neuen Bereichen erfolgreich zu sein.

Fokusverlust

Durch die Konzentration auf verschiedene Geschäftsbereiche kann das Unternehmen den Fokus auf sein Kerngeschäft verlieren. Dies kann zu einer Verwässerung der Marke und einer Verschlechterung der Qualität der Kernprodukte führen.

Fallbeispiele

Virgin Group

Die Virgin Group, gegründet von Richard Branson, ist ein Paradebeispiel für laterale Diversifikation. Ursprünglich ein Plattenlabel, hat sich Virgin in zahlreiche Branchen diversifiziert, darunter Luftfahrt (Virgin Atlantic), Telekommunikation (Virgin Mobile), Gesundheit (Virgin Health) und sogar Weltraumtourismus (Virgin Galactic). Diese Diversifikation hat Virgin geholfen, in verschiedenen Märkten Fuß zu fassen und neue Einnahmequellen zu erschließen.

Sony

Sony begann als kleines Elektronikunternehmen, das Radios herstellte. Durch laterale Diversifikation erweiterte Sony seine Produktpalette auf Fernsehgeräte, Musik (Sony Music), Filme (Sony Pictures) und Videospiele (PlayStation). Diese Diversifikation ermöglichte es Sony, ein globaler Technologiekonzern zu werden und sich in verschiedenen Branchen zu etablieren.

Samsung

Samsung, ursprünglich ein Handelsunternehmen, hat sich durch laterale Diversifikation zu einem der größten Technologieunternehmen der Welt entwickelt. Neben Elektronikprodukten wie Smartphones und Fernsehern ist Samsung in den Bereichen Bauwesen, Schiffbau, Versicherungen und sogar Freizeitparks tätig. Diese Diversifikation hat Samsung geholfen, sein Risiko zu streuen und kontinuierlich zu wachsen.

Amazon

Amazon begann als Online-Buchhändler und hat sich durch laterale Diversifikation zu einem der größten Unternehmen der Welt entwickelt. Neben dem Online-Handel bietet Amazon jetzt Cloud-Dienste (AWS), Unterhaltung (Amazon Prime Video), Lebensmittel (Whole Foods) und viele weitere Dienstleistungen an. Diese Diversifikation hat Amazon geholfen, neue Märkte zu erschließen und seine Marktposition zu stärken.

Google (Alphabet Inc.)

Google, ursprünglich eine Suchmaschine, hat sich durch laterale Diversifikation stark erweitert. Unter dem Dach von Alphabet Inc. bietet das Unternehmen eine Vielzahl von Produkten und Dienstleistungen an, darunter das Betriebssystem Android, YouTube, Google Cloud, autonomes Fahren (Waymo) und Gesundheitsforschung (Verily). Diese Diversifikation hat Google geholfen, in verschiedenen Technologiebranchen führend zu bleiben und neue Wachstumschancen zu nutzen.

Schlussfolgerung

Laterale Diversifikation bietet Unternehmen zahlreiche Vorteile, darunter Risikostreuung, Wachstumsmöglichkeiten und Wettbewerbsvorteile. Sie ermöglicht es Unternehmen, neue Märkte zu erschließen und ihre vorhandenen Ressourcen optimal zu nutzen. Allerdings ist diese Strategie auch mit erheblichen Herausforderungen verbunden, darunter hohe Investitionskosten, Managementkomplexität und das Risiko des Fokusverlusts. Erfolgreiche Beispiele wie die Virgin Group, Sony, Samsung, Amazon und Google zeigen, dass laterale Diversifikation ein mächtiges Instrument sein kann, um das Wachstum und den langfristigen Erfolg eines Unternehmens zu sichern.

Quellen

  1. Ansoff, H. I. (1957). Strategies for Diversification. Harvard Business Review.
  2. Barney, J. B. (1991). Firm Resources and Sustained Competitive Advantage. Journal of Management.
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  5. Chandler, A. D. (1962). Strategy and Structure: Chapters in the History of the Industrial Enterprise. Cambridge, MA: MIT Press.
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